Oft reicht ein falsches Wort deines Freundes oder ein seltsamer Blick eines vorbeigehenden Menschen und du merkst, wie Zorn deinen ganzen Körper erfasst. Oder du siehst einen visuellen Reiz, ein Bild, und plötzlich ergreift dich ein Gedanke, der dich nicht mehr loslässt. Er dreht Runde um Runde in deinem Kopf. Du willst ihn loswerden, aber es geht nicht. Dein Körper spannt sich immer mehr an. Du bist komplett gefangen in dieser Gedankenwelt. Schmerz steigt in dir hoch, Wut. Trauer, Selbsthass und Hass auf andere. Du willst nur noch raus. Raus hier.

Dieses Gefühl der Anspannung kennen fast alle Menschen, die an Borderline erkranken. Viele äußerlich sichtbare Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung sind der verzweifelte Versuch, dieser Anspannung zu entkommen. Solche Verhaltensweisen sind ein Ventil. Sie müssen Luft rauslassen. Borderline-typisches Verhalten: Selbstverletztungen, gestörtes Essverhalten, Selbstmordgedanken.

 

Ritzen: Befreiung von der Anspannung

Viele Borderliner ritzen sich. Das heißt: Sie kratzen ihre Arme oder Oberschenkel mit einer Klinge oder einem scharfen Gegenstand auf. Ritzen geschieht nicht aus Selbstmordabsicht, sondern weil der oder die Betroffene die Anspannung nicht mehr erträgt. Sie wollen einfach, dass der Druck nachlässt. Egal wie. Hauptsache schnell. So erzählen viele Menschen, dass sie sich nach dem Ritzen besser fühlen. Erleichtert. Auch andere Selbstverletzungen wie das Schlagen mit dem Kopf gegen die Wand haben diesen Effekt.

 

Magersucht: Den Körper kontrollieren

Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht kommen regelmäßig bei Borderlinern vor. Auch dieses Verhalten hat etwas mit der Anspannung zu tun. Die oder der Betroffene möchten die Kontrolle über ihren Körper gewinnen. „Wenn ich mein Essverhalten kontrollieren kann, dann bekomme ich auch das Chaos in meinem Kopf in den Griff. Endlich schaffe ich es, mir Grenzen zu setzen. Die Menschen fangen an mich zu lieben, weil ich so schön schlank bin. Und wenn sie es nicht tun, muss ich einfach noch schlanker werden.“ So die Gedanken. In schlimmen Fällen endet das Essverhalten in der Magersucht.

 

Selbstmordgedanken

Die radikalste Form, sich von der Anspannung zu befreien, ist der Selbstmord. Betroffene der Borderline-Persönlichkeitsstörung bringen sich fast genauso häufig um wie Depressive. „Der Druck ist so groß, mein Kopf ein einziges Chaos. Nichts geht mehr, nichts hilft mehr.“ So das verzweifelte Gefühl, das Borderliner schlimmstenfalls sogar in den Selbstmord treiben kann.

 

Wie kommt es zu den Anspannungen?

Die tieferen Ursachen für diese Anspannungen liegen im gestörten Selbstbild der Betroffene. Sie haben Minderwertigkeitsgefühle. Wissen nicht, wer sie sind. Aber: Wer seine Gefühle nicht einschätzen kann, kann sie nicht kontrollieren. Wer sich nicht kennt, weiß nicht, was für ihn gut ist. Wer sich nicht seiner Selbst bewusst ist, kann nicht auf sich achten. Das alles führt zu einer Überlastung. Deswegen steigt der Puls, rasen die Gefühle bis zum Anschlag. Bremsen gibt es nicht.

Anspannungen im Auge behalten

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung lässt sich behandeln. Psychotherapien zeigen guten Erfolg. Deswegen sollte jeder Erkrankte sich in Behandlung begeben. In den Therapien lernt der oder die Betroffene, Anspannungszeichen zu erkennen und auf sich zu achten.

Bei jedem Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zeigt sich die Anspannung anders. Kennen wir die individuellen Anspannungszeichen, können wir anfangen, mit ihnen umzugehen. Das erfordert Übung. Aber irgendwann fühlt die Person, dass es ihr gerade nicht gut geht, der Druck steigt. Sie spüren, was die Ursache für die Anspannung ist und wie stark sie fortschritten ist. Das ist ein wichtiger Schritt, damit umzugehen. Skills helfen dann, die Anspannungen abzubauen. Auch der Partner oder die Partnerin können helfen, indem sie ein Gespräch suchen, um einen gemeinsam einen Ausweg zu finden.

Anspannungen lösen

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